Rees Gwerders Spiel-Art

An Rees Gwerder (1911-1998) erinnert man sich wie an eine Legende aus alter Zeit.
NZZ, 2. April 2003

Porträt eines Volksmusikers

Rees Gwerder in einer Anthologie

Das Konservatorium: ein prächtiger Titel für eine kleine Anthologie mit vier Compact Discs und einem reich bebilderten Büchlein. «Ich has Konservatorium vom Vater, und eifach vom Publikum . . .», soll Rees Gwerder (1911 bis 1998), der Schwyzerörgeli-Spieler aus dem Muotatal, einmal gesagt haben. Gwerder war ein «Eigener», einer, der seinen «Grind» hatte. Das hört man in seiner Musik, und das kommt insbesondere auch in den aufgezeichneten Gesprächen zum Ausdruck. «Er nickt, dr Rees» heisst denn auch eine der vier CD aus der Sammlung. Darauf ist ein ausführliches Radiointerview zu hören, das Beat Tschümperlin für Radio Schwyz im Jahre 1991 mit Rees Gwerder geführt hat.

Rees, wie ihn alle nur nennen, ist darin keineswegs bestrebt, sich in ein gutes Licht zu rücken, sich zu vermarkten oder anzubiedern, er ist einfach nur sich selbst. Einsilbig oder auch mit träfen Sprüchen antwortet er unbeirrbar auf die ihm gestellten Fragen. Oft hört man als Antwort auf eine Frage nur das Anreissen eines Zündholzes oder die Paffgeräusche, die er gerade mit seiner Original-Krummen macht, worauf der Radiomann mit schöner Regelmässigkeit «er nickt, dr Rees» den Radiohörern Gwerders Zustimmung mitteilen muss. Aber Tschümperlin bringt den 80-Jährigen sehr geschickt zum Plaudern. Rees kommt ins Erzählen und gibt vieles preis, aus seinem Leben, seinem Weg in die Musik und von seinen Ansichten.

Bezeichnend ist, dass er, den nicht nur Volksmusik-Begeisterte als grossen Musiker schätzten, sich selbst nie als Musiker bezeichnet. Er ist einer, der Musik macht - davon gelebt hat er nie. Sein Leben lang ist er Bergbauer gewesen, zuerst als Knecht auf dem elterlichen Hof, später auf seinem eigenen «Heimetli», und nicht selten führten ihn mehrstündige Fussmärsche zu seinem Auftrittsort und nach mehreren Stunden Tanzmusik- Spielen gerade rechtzeitig zum Melken wieder zurück in den Stall. Diesen Aufwand betrieb er für Gagen, die eher ein Trinkgeld waren. Gwerder spielte immer Tanzmusik, der «richtige Takt» ist für ihn eines der wichtigsten Kriterien, auch bei der Einschätzung anderer Musiker.

Alles, was er gelernt hat, lernte er von älteren Schwyzerörgeli-Spielern. Mit jenen, die er später unterrichtet hat, hielt er es ebenso: zuhören - nachmachen. So lernte er sein Repertoire von Tänzen, die er von andern hörte und spielend, ergänzend und ausschmückend zu den seinen machte. Damit hat er ein beachtliches Repertoire aus dem 19. Jahrhundert «gerettet», nicht konservierend, sondern weiterentwickelnd, und so hat er es, zusammen mit seinen eigenen Stücken, wiederum weitergegeben an seine Schüler, die hoffentlich ähnlich frei und musikalisch damit umgehen werden. Cyrill Schläpfer, dem Filmemacher von «Urmusig», der selbst ein Schüler von Rees Gwerder geworden ist, ist es gelungen, mit dieser Anthologie diesen phantastischen Stegreifmusiker zu porträtieren und seine Musik zu dokumentieren, so dass sie lebendig bleibt und eben gerade nicht in ein «Konservatorium» gesperrt wird.

Gabriela Schöb

Rees Gwerder: Das Konservatorium. Edition Schnupf CSR Records 90632 (4 CD).

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